Pfadanalyse mit null Freiheitsgraden
Ist das ein Problem?
Arndt Regorz, Dipl. Kfm. & M.Sc. Psychologie, 27.04.2023
Video zum Tutorial
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Problemstellung und Konsequenzen von 0 Freiheitsgraden
Wenn Sie eine Pfadanalyse durchführen, dann kann es vorkommen, dass Sie am Ende null Freiheitsgrade haben (df = 0), also ein sogenannten saturiertes Modell. Ist das ein Problem? Diese Frage kommt in meiner Beratungspraxis tatsächlich relativ häufig vor. Im folgenden werde ich Ihnen aufzeigen, warum das m.E. kein grundsätzliches Problem ist.
Generell sind bei einem Pfadmodell drei Fälle zu unterscheiden:
a) Es gibt mehr eindeutige Informationen in der Varianz-Kovarianzmatrix als zu schätzende Parameter. Dann ist das Modell überidentifiziert (df > 0).
b) Es gibt weniger eindeutige Informationen in der Varianz-Kovarianzmatrix als zu schätzende Parameter. Dann ist das Modell nicht identifiziert (df < 0).
c) Es gibt genaus so viele eindeutige Informationen in der Varianz-Kovarianzmatrix wie zu schätzende Parameter. Dann ist das Modell gerade identifiziert (df = 0).
Im Fall von a) (überidentifiziert) haben wir kein Problem. Wir können das Modell schätzen und wir können anhand von Modelltest (Chi-Quadrattest) und Fit-Indizes auch beurteilen, ob das Modell zu den Daten passt.
Im Fall von b) (nicht identifiziert) kann das Modell nicht geschätzt werden.
Im für dieses Tutorial relevanten Fall c) (just identified, gerade identifiziert), muss man unterscheiden: Das Modell kann zwar geschätzt werden, auch die Parametertests können interpretiert werden. Was man jedoch nicht kann, ist beurteilen, ob das Modell zu den Daten passt. Denn ein Modell mit 0 Freiheitsgraden passt immer perfekt zu den Daten. Wir können in diesem Fall also die Modellgüte nicht beurteilen, sondern nur sagen: Wenn das Modell stimmt, dann kommen diese Parameterschätzungen und deren Signifikanztests heraus.
Vergleich mit anderen statistischen Verfahren
Damit bleibt aber noch die Frage offen, ob wir trotz dieser Einschränkung (Modellgüte kann nicht geprüft werden) das Pfadmodell für unsere Hypothesentests verwenden können. Dafür hilft der Vergleich mit anderen statistischen Verfahren.
Tatsächlich ist es der Regelfall und nicht die Ausnahme, dass die auch in peer-review-Journals veröffentlichten Studien keine Prüfung der Modellgüte ermöglichen:
- Ein t-Test hat als Modell 0 Freiheitsgrade
- Eine einfache Regression oder eine Korrelation hat als Modell 0 Freiheitsgrade
- Eine multiple Regression hat als Modell 0 Freiheitsgrade
- Eine moderierte Regression hat als Modell 0 Freiheitsgrade
- Eine Mediationsanalyse (nach Barron & Kenny oder mit dem PROCESS Makro) hat als Modell 0 Freiheitsgrade
In all diesen Fällen stört sich niemand daran, dass ein Test der Modellgüte nicht möglich ist. Niemand macht sich Gedanken, ob man die entsprechende Analyse dennoch berichten kann.
Analog ist es in einer Pfadanalyse mit 0 Freiheitsgraden. Auch hier kann man m.E. die Ergebnisse ganz normal berichten. Man darf lediglich keine Aussagen über die Güte des Modells machen.
Empfehlung zum Umgang mit diesem Problem
Im Ergebnisteil würde ich dieses Problem so adressieren:
- Hinweis, dass df = 0, also "just identified"
- Daher Chi-Quadrat und Fit-Indizes nicht berichtet
Im Diskussionsteil würde ich dieses Problem so adressieren:
- Modell just identified, daher Modelfit nicht beurteilbar
- Alle Ergebnisse sind unter der Annahme, dass das Modell korrekt ist
- Diese Annahme ist nicht mit dem vorliegenden Design prüfbar
- Ggf. daher weiterer Forschungsbedarf