Moderierte Mediation oder mediierte Moderation?
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Arndt Regorz, Dipl. Kfm. & M.Sc. Psychologie, Stand: 31.10.2024
Mediation und Moderation sind zwei Schlüsselkonzepte in den Sozialwissenschaften. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese beiden Konzepte miteinander zu verbinden. Manchmal spricht man dann von mediierter Moderation, häufiger von moderierter Mediation (Muller, Judd, & Yzerbyt, 2005) und manche sprechen auch einfach nur von conditional indirect effects (Preacher, Rucker, & Hayes, 2007).
Dieses Tutorial soll etwas mehr Klarheit in diese Begriffsverwirrung bringen. Es beruht im Wesentlichen auf dem Text von Muller et al. (2005) sowie auf Preacher et al. (2007).
Inhalt
- Wiederholung: Mediation und Moderation
- Idealtypische mediierte Moderation
- Idealtypische moderierte Mediation
- Mediierte Moderation und moderierte Mediation im weiteren Sinne
- Conditional indirect effects
- Relevanz für die Auswertung
- Quellen
1. Wiederholung: Mediation und Moderation
Bei der Mediation geht es darum, auf welchem Weg ein Effekt von einer unabhängigen Variable auf eine abhängige Variable vermittelt wird. Der Mediator ist eine Drittvariable, die von der unabhängigen Variable beeinflusst wird und wiederum die abhängige Variabler beeinflusst.
Bei der Moderation hingegen geht es darum, wovon die Stärke (und ggf. Richtung) eines Effekts von einer unabhängigen Variable auf eine abhängige Variable abhängt. Der Moderator ist eine Drittvariable, welche die Stärke des Wirkung von der unabhängigen Variable auf die abhängige Variable beeinflusst.
Wenn Ihnen diese beiden Konzepte nicht mehr ganz geläufig sind, können Sie das in meinen Tutorials zu Moderation und Mediation wiederholen.
2. Idealtypische mediierte Moderation
Bei der idealtypischen mediierten Moderation (engl.: mediated moderation) nach Muller et al. (2005) liegt zunächst insgesamt eine signifikante Moderation vor. Die Stärke des Zusammenhangs zwischen einer unabhängigen Variable (UV) und einer abhängigen Variable (AV) hängt also ab von der Moderatorvariable (MOD).
Eine mediierte Moderation liegt danach dann vor, wenn dieser Moderatoreffekt an einem indirekten Pfad von der UV über einen Mediator (MED) auf die AV ansetzt. Es gibt also einen indirekten Effekt, dessen Stärke hängt vom Moderator ab, und damit hängt auch die Stärke des Gesamteffekts vom Moderator ab.
Das kann man sich ein wenig so vorstellen wie eine Straßenverbindung zwischen zwei Städten (U-Stadt und A-Stadt) zur Rush-Hour, wobei die Straße nur eine begrenzte Kapazität hat. Man kann aber auch einen Umweg über eine dritte Stadt nehmen (nennen wir sie MED-Stadt), doch auf dieser Ausweichstrecke ist zeitweise eine Baustelle. Die Baustelle entspricht hier dem Moderator, von der Baustelle hängt ab, wie viel Verkehr den indirekten Weg über die dritte Stadt nehmen kann – und damit auch, wie viel Verkehr zur Rush-Hour insgesamt fließen kann. Dabei kann die Baustelle natürlich an verschiedenen Stellen sein, entweder zwischen U-Stadt und MED-Stadt (= a-Pfad der Mediation), oder zwischen MED-Stadt und A-Stadt (= b-Pfad der Mediation), oder an beiden Teilstrecken.
Mediierte Moderationen und moderierte Mediationen kann man gut mit dem PROCESS-Makro von Hayes auswerten. Nähere Informationen dazu finden Sie auf dessen Internetseite zu PROCESS (Hayes, n.d.) sowie in seinem Buch (Hayes, 2017).
Ein mögliches (von vielen möglichen) PROCESS-Modell für eine idealtypische mediierte Moderation wäre dort das Modell 7 (in PROCESS Version 3):
3. Idealtypische moderierte Mediation
Bei der idealtypischen moderierten Mediation (engl.: moderated mediation) nach Muller et al (2005) gibt es insgesamt keine Moderation. Die Stärke des Zusammenhangs zwischen einer unabhängigen Variable (UV) und einer abhängigen Variable (AV) hängt also hier nicht von einer Moderatorvariable (MOD) ab.
Jedoch hängt bei einer moderierten Mediation der konkrete Weg zwischen UV und AV vom Moderator ab. Je nach Ausprägung des Moderators verschiebt sich das Verhältnis zwischen einem direkten Effekt und einem indirekten Effekt.
Das kann man sich ein wenig so vorstellen wie eine Eisenbahnverbindung zwischen zwei Städten (U-Stadt und A-Stadt). Normalerweise fährt der Zug die direkte Verbindung, aber wenn dort ein Zwischenfall ist, wird eine Weiche umgelegt und stattdessen fährt der Zug einen Umweg über eine dritte Stadt (MED-Stadt). Die Weiche, die steuert, ob der direkte oder der indirekte Weg genommen wird, ist hier der Moderator. Und sie verändert nur den Weg, den der Zug nimmt, aber hat keinen Einfluss darauf, wie viele Fahrgäste insgesamt von U-Stadt nach A-Stadt kommen (= insgesamt keine Moderation).
Ein mögliches PROCESS-Modell für eine idealtypische moderierte Mediation wäre dort das Modell 8 (in PROCESS Version 3):
4. Mediierte Moderation und moderierte Mediation im weiteren Sinne
Diese idealtyptische Darstellung ist zwar theoretisch recht überzeugend, hat aber einen entscheidenden Nachteil: In der Realität kommen häufig auch Mischformen vor, die nicht eindeutig einem der beiden Idealtypen zuzuordnen sind.
Neben dieser idealtypischen Darstellung führen Muller et al. (2005) auch Begriffsbestimmungen im weiteren Sinne ein. Dabei soll die Begriffsverwendung davon abhängen, was die theoretische Zielsetzung der Analyse ist.
Wenn es insgesamt eine Moderation gibt und es darum geht, welcher Prozess diesen Moderationseffekt erzeugt, dann liegt in diesem Sinne eine mediierte Moderation vor.
Wenn es hingegen darum geht, einen indirekten Effekt hinsichtlich möglicher Moderatoren zu untersuchen, dann ist es insoweit eine moderierte Mediation. Und das kann sowohl ohne als auch mit einer Moderationswirkung für den totalen Effekt der Fall sein .
Eine Konsequenz dieser Begriffsbestimmungen im weiteren Sinne ist, dass die beiden Begriffe sich nicht mehr gegenseitig völlig ausschließen. In diesem Sinne kann eine mediierte Moderation je nach Erkenntnisziel immer auch eine moderierte Mediation sein. Umgekehrt gilt das jedoch nicht zwingend, da eine mediierte Moderation weiterhin einen totalen Moderationseffekt voraussetzt, während eine moderierte Mediation auch ohne totale Moderation möglich ist.
Insoweit ist also die mediierte Moderation im weiteren Sinne eine Teilmenge der moderierten Mediation:
Wenn man sich nicht weiter mit der Begriffsbestimmungen beschäftigen will, ist man im weiteren Sinne mit dem Begriff der moderierten Mediation also meistens auf der sicheren Seite.
Und auch in der Forschungspraxis wird in aller Regel der Begriff der moderierten Mediation verwendet.
5. Conditional indirect effects
Einen anderen Ausweg aus der Frage, wie man Kombinationen aus Moderation und Mediation bezeichnet, wählen Preacher et al. (2007). Sie verwenden durchweg den Begriff der conditional indirect effects (bedingte indirekte Effekte).
Ihre Begründung: „We believe this choice is warranted because all of the effects described above represent mediation effects that vary in strength conditional on the value of at least one moderator variable“ (Preacher et al, 2007, p. 195).
Diese Begriffsverwendung ist insoweit die bequemste Variante, weil man sich dann mit der begrifflichen Abgrenzungsfrage gar nicht weiter auseinandersetzen muss.
6. Relevanz für die Auswertung
Wenn Sie Ihre Daten hinsichtlich einer Kombination aus Moderation und Mediation analysieren, dann haben diese Begriffsfragen eigentlich keine Auswirkungen.
Sie verwenden in der Regel PROCESS, suchen das Modell, das am besten zu Ihrer Theorie passt, und werten es entsprechend aus. Oder Sie setzen SEM ein, z.B. bei komplexeren Modellen.
Nur für das anschließende Verschriftlichen Ihrer Ergebnisse müssten Sie sich auf eine der drei o.g. Begrifflichkeiten festlegen und das ggf. mit der dafür relevanten Quelle begründen.
7. Quellen
Hayes, A. F. (2017). Introduction to mediation, moderation, and conditional process analysis: A regression-based approach. New York, NY: Guilford Publications.
Hayes, A. F. (n.d.). PROCESS (Computer Software). Retrieved from https://www.processmacro.org/download.html
Muller, D., Judd, C. M., & Yzerbyt, V. Y. (2005). When moderation is mediated and mediation is moderated. Journal of personality and social psychology, 89, 852-863. doi:10.1037/0022-3514.89.6.852
Preacher, K. J., Rucker, D. D., & Hayes, A. F. (2007). Addressing moderated mediation hypotheses: Theory, methods, and prescriptions. Multivariate behavioral research, 42, 185-227. doi:10.1080/00273170701341316
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